In ihrem LinkedIn-Profil steht, sie ist „Wortakrobatin, Buchstabenschubserin, Lektorin, Schreibcoach, Nachhilfelehrerin, Autorin und Literaturwissenschaftlerin“. Allein das fand ich schon interessant. Den Ausschlag aber gab die Tatsache, dass Carolin Gmyrek auch noch von ihrer „fahrbaren Buchhandlung“ schrieb. Das hat mich regelrecht elektrisiert – darum habe ich sie einfach mal um ein Interview gebeten. Hier ist es:
Eine Selbstständige hat (immer) mehrere Schwerpunkte
Hallo Carolin – wenn du könntest, wie du wolltest, welcher der vielen oben genannten Aufgaben wäre denn dein Lieblingsschwerpunkt?
Carolin Gmyrek: Ich muss ein wenig schmunzeln, denn ich habe das Gefühl, wir sind Kolleginnen.
[O ja, das stimmt … aber die Zielgruppen sind sehr unterschiedlich. Deine ist mit Sicherheit deutlich jünger! Anmerkung von Maria.]
Carolin Gmyrek: Ich bin Lektorin. Es hat lange gedauert, diese Tatsache zu erkennen. Erst 2019 probierte ich mich mit ersten Lektoraten für befreundete Verlage aus und stellte fest: Das kann ich, das macht mir Spaß. Also machte ich mich erst neben dem Studium, später freiberuflich selbstständig.
Ich bin Buchhändlerin. Dies zu erkennen, hatte ich nicht so lange gedauert. Schon immer wollte ich einen kleinen Buchhandel haben und Geschichten unter die Menschen bringen. Ich habe diesen Wunsch nur immer hintenangestellt, nun kann ich ihn wieder ausleben und liebe alles daran – egal, wie anstrengend es ist.
Ich bin Autorin und Herausgeberin. Ich liebe die Literatur und noch mehr liebe ich es, Geschichten zu lesen und zu schreiben. Den Menschen zu erstaunen, ihn für einen Moment in eine andere Welt zu schieben, ihm tolle Charaktere vorzustellen, ihn eine andere Wahrnehmung zu schenken oder an die Grenzen zu bringen. Und mit all diesen Jobs kann ich genau das tun. Entweder mit eigenen Geschichten, indem ich anderen helfe, ihre Geschichten auszubauen und zu veröffentlichen und schließlich, indem ich diese verkaufe.
Somit sind wohl diese drei Bezeichnungen – wohl auch in dieser Reihenfolge – meine Schwerpunkte.
„Mach Pläne, aber lass es auf dich zukommen“
Und wenn du auf das Jahr 2025 guckst, was davon steht ganz oben auf deiner ToDo-Liste? Und warum?
Carolin Gmyrek: Das ist schwer. 2024 war mein erstes Jahr als Selbstständige. Ich hatte mir viele To-Dos gesetzt, viele kamen noch hinzu und ich merkte, dass viele dieser Pläne ganz anders umgesetzt oder gar nicht umgesetzt wurden, weil andere Dinge sich dazwischenschoben. Ich lernte: Mach Pläne, aber lass es auf dich zukommen. Ein paar Dinge jedoch werde ich versuchen:
- Mehr Vorträge und Werbung machen, denn neben all den Pro-Bono-Projekten, neben all den Dingen, die ich voller Liebe für wenig Geld mache, würde ich auch gerne weiterhin lektorieren. Das darf auf keinen Fall zu kurz kommen.
- Die Märkte, Veranstaltungen und Festivals werde ich immer weiter ausbauen und planen, sodass ich eventuell sogar mehr fahren kann. Es ist geplant, dass wir uns ein größeres Auto anschaffen, damit wir eben auch mehr Ware den Kund*innen präsentieren können. Dabei habe ich die Unterstützung meiner Familie, für die ich unendlich dankbar bin.
- Die Zombie Zone Germany, bei der ich als Herausgeberin tätig bin, muss wachsen. Dort stehen viele Projekte an, die laufenden dürfen dabei nicht auf der Strecke bleiben. Es sind weitere Romane, Anthologien und sogar Heftromane geplant und vielleicht… vielleicht… bekommen wir auch endlich das Rollenspiel fertig.
Die „fahrende Buchhandlung“: Selfpublishing und Indie-Verlage
Zu diesem Interview habe ich dich ja aus einem noch mal anderen Grund eingeladen: Ebenfalls auf LinkedIn hast du von deiner „fahrenden Buchhandlung“ erzählt. Was dürfen wir uns darunter vorstellen?
Carolin Gmyrek: Ursprünglich wollten wir vor drei Jahren nur das Rollenspiel der Zombie Zone Germany auf diversen Rollenspielconventions, wie der Krähenfee in Krefeld, bewerben. Mit dabei hatte ich die bisher erschienenen Bücher der ZZG sowie Bücher des Verlages Amrûn.
Ein Jahr später fragte mich der Zauberfederverlag, ob ich für eine abgesprungene Händlerin einspringen und ihre Bücher ebenfalls auf dem Event verkaufen könnte. Warum nicht? Auf ein paar Bücher kommt es nicht an. Daraus entwickelte sich eine prägende Kooperation. Es wurden mehr Veranstaltungen angefahren, das Programm entwickelte sich.
Warum nicht auch die Bücher der Selfpublisher*innen anbieten, für die ich lektorieren durfte? Oder Bücher aus den Indie-Verlagen? Dann entwickelte sich unser Stand und nun nenne ich mich „fahrende Buchhändlerin“.
Wir sind im Moment aus zeitlichen Gründen auf bis zu zehn Veranstaltungen im Jahr unterwegs, verkaufen ausnahmslos Bücher aus Indie-Verlagen und Selfpublisher*innen, sowie Selbstgemachtes von diversen Künstler*innen, die mit mir zusammenarbeiten oder zusammengearbeitet haben.
Ständig unterwegs …
Außerdem kümmere ich mich um weitere Stände, wie zum Beispiel meinen kleinen Pop-up-Store in Leipzig. Dafür haben wir einen 4x4m großen Pavillon, den wir wie ein kleines Wohnzimmer aufbauen. Er soll einladend und gemütlich sein. Die Menschen auf den Messen sollen einen Ort der Entspannung haben, sich auch mal aus dem Tumult zurückziehen, um in ein Buch reinlesen zu können. Ab und an bieten wir Lesungen direkt am Stand an, oder Workshops.
Wo und wann könnte man dich damit treffen?
Carolin Gmyrek: Natürlich ist das zu Beginn eines Jahres schwer zu sagen, auf welchen Conventions man unterwegs sein darf, aber ich glaube, von folgenden Events können wir recht fest ausgehen, dass man uns dort findet:
- DeDeCo in Dresden vom 21.-23. Februar 2025
- MarburgCon in Marburg vom 09.-10. Mai 2025
- Sternenklangfestival in Niederburg Kranichfeld vom 05.-08. Juni 2025
- DGT in Aach vom 08.-10. August 2025
- Krähenfee in Krefeld vom 02.-03. August 2025
Das ist nur eine kleine Auswahl. Noch ist vieles in Planung, doch ich möchte nichts versprechen, was ggf. nicht zustande kommt. Aber wenn es noch Tipps für uns gibt, bzw. ihr uns gerne irgendwo dabeihaben wollt, kann man mir gerne schreiben. (Kontakt über Carolins Website, siehe unten.)
Gretchenfrage: Wie hältst du`s mit dem Buchmarketing?
Carolin Gmyrek: Buchmarketing ist verdammt wichtig, doch tatsächlich habe ich wenig Ahnung davon. Vieles läuft über die Social Media, über TikTok und andere Medien. Ich selbst finde mich da nicht hinein – das muss ich mir eingestehen. Ich bin gerne begeistert und begeistere gerne, doch das klappt für mich am besten über den persönlichen Kontakt. Wenn es um den stationären Buchhandel geht, so haben Buchhändler*innen wie Sandra Thoms mehr Erfahrung und somit auch mehr zu erzählen. Ich kann nur von Inhalten sprechen, von Genre und Erzählstrukturen. Ich kann erzählen, welche Cover funktionieren und warum, welche Titel.
Was jedoch Lesungen und Events angeht, so kann ich durchaus helfen. Lesungen sind sehr wichtig: Präsent sein. Die Cons, das Netzwerk, die Kontakte, alles kann helfen.
Meine fahrende Buchhandlung ist ein Komplettpaket.
Wenn es heißt, man möchte ein Buch veröffentlichen, kann ich von der Idee, über den Plot, das Schreiben und das Lektorat helfen. Ich kann Kontakte knüpfen, Ideen geben und später … wenn das Buch fertig ist … auf die Märkte bringen. Ich begleite somit das Buch von der Idee bis zum Verkauf.
Ich biete allen meinen Lektoratskund*innen an, dass ich ihre Bücher in mein Programm aufnehme und präsentiere.
Wie gehst du als Autorin das Thema Buchmarketing an? Spielt die fahrende Buchhandlung dabei eine Rolle?
Carolin Gmyrek: Auf der Leipziger Buchmesse vor zwei Jahren half ich beim Stand des Amrûn Verlages aus. Einem interessierten Leser präsentiere ich gerade das tolle Buch von Juri Pavlovic „Krieg und Kröten“. Wir redeten gute zehn Minuten, da unterbrach mich der Käufer. „Das Buch klingt interessant, aber bist du nicht auch Autorin?“ Ich schaute ihn verdutzt an, wusste in diesem Moment gar nicht, was ich sagen sollte. Also nickte ich und wollte wieder Juri anpreisen. Der Kunde begann zu lachen und fragte mich, warum ich nicht mein eigenes Buch empfehle. Darauf wusste ich keine Antwort. Ich zeigte ihm „kaputter Nebel“ und „Zirkus“. Er kaufte beide, ohne, dass ich überhaupt etwas erklären musste. Der Klappentext hat gereicht.
Ich war noch nie gut darin, mich oder meine Bücher anzupreisen.
Das fällt mir auch beim Lektorat auf die Füße. Aber ich kann die Werke anderer mit Lob überhäufen. Ich kann sie bewerben, präsentieren und verkaufen. Das hat bisher immer besser funktioniert. Und das mache ich nun mit meiner „fahrenden Buchhandlung“. Und ab und an habe ich dann auch Kund*innen, die meine Bücher kaufen.
Hast du Mitstreiter*innen? Gibt es Kooperationen? Wenn ja: welche? Wenn nicht: Was würdest du dir wünschen?
Carolin Gmyrek: Ohne Mitstreiter*innen würde nichts funktionieren. Ich habe Menschen, die ich über alles dankbar bin, für ihre Hilfe, ihre Unterstützung und ihr Vertrauen. Allem voran meinem Mann Oliver Gmyrek, der neben seinem Hauptjob seine gesamte Freizeit opfert, um mit mir auf die Märkte zu fahren, Zeitreisepasse auszustellen und zu verkaufen. Das ist nicht selbstverständlich. Ohne ihn wäre das alles nicht möglich.
Auch meine Familie ist immer für mich da, ob Finanziell, mit Kraft, Tipps oder mentaler Unterstützung. Vermutlich hätte ich das alles ohne diese Menschen nie angefangen.
„Die Unsichtbaren sichtbar machen“
Und dann sind da noch so viele andere, die wichtig sind, zu erwähnen:
- Verlag Torsten Low: Dieser Verlag hat aus einem grauen Mäuschen eine – na ja – beinahe selbstwusste Verkäuferin gemacht. Sie standen immer an meiner Seite, beantworten mir jede Frage. Sie haben mich unterstützt, gestützt und sogar mit ihrem alten Pavillon den Weg zur fahrenden Buchhändlerin geebnet.
- Amrûn Verlag: Mich verbindet eine tiefe Freundschaft mir dem Verleger. Die Zombies brachten mich zu ihm und halten mich dort fest. Das tiefe Vertrauen, das mir entgegengebracht wird, lässt mich ständig weitermachen.
- Zauberfederverlag: Ich habe es ja schon erwähnt. Ich stand vor einem steinigen Weg, der sicherlich – wie eigentlich geplant – noch einige Jahre vor mir gelegen hätte. Sie waren eine Dampfwalze, die ihn mir glätteten. Ohne den Zauberfederverlag und ihren tollen Büchern, wäre ich noch nicht so weit, wie ich es gerade bin. Mit anderen Worten: Hier ist der Eimer kalte Wasser: spring rein! Danke Tara und Fiona, ihr seid großartig!
- Bedey und Thoms Media GmbH: Zu Beginn meiner Selbstständigkeit war ich sehr ambitioniert. Mein Wunsch war es, gerade die Unsichtbaren sichtbar zu machen. So fand ich zu „schöne Bücher“ und schließlich zu Bedey und Thoms media gmbh. Sandra ist eine großartige Person, die immer an mich glaubte. Zwar sind nicht all unsere Pläne so geworden, wie wir erwartet haben, dafür haben wir neue.
- Es gibt noch so viele mehr, denen ich dankbar sein müsste. Alle, die an mich glauben, das gesamte ZZG-Team, Edition Outbird, alle meinen Kund*innen, allen Cons und Festivals, auf denen wir sein durften und dürfen. All das sind Unterstützende.
So viele Menschen, die einem vertrauen, so viele tolle Kreative, die zusammenhalten. Und genau das ist es, was ich an unserer Branche so sehr liebe!
Ziel: Plattform für Selfpublisher*innen und Indie-Verlage sein
Ich bin in einer privilegierten Position. Die fahrende Buchhandlung ist nicht darauf ausgelegt, Gewinn zu erzielen. Das klingt natürlich konträr, immerhin will ich verkaufen. Aber mein Ziel ist das Präsentieren. Ich möchte eine Plattform für die Selfpublisher*innen und Indie-Verlage sein. Eben für die, die im großen Buchhandel zwischen Farbschnitt und Goldprägung herunterfallen und für die, die nicht die Möglichkeit haben, auf Veranstaltungen zu fahren. Außerdem ist es ein Argument, um mich als Lektorin in Anspruch zu nehmen.
Kraft, Zeit, Liebe, Hingabe …
Wie viel Arbeit macht denn so eine fahrende Buchhandlung?
Carolin Gmyrek: Grundlegend ist es viel Aufwand. Man braucht Kraft und Zeit, viel Liebe und Hingabe. Wenn man keine Ambitionen zum Camping hat, kommen Kosten für Unterkunft hinzu. Man muss viel Strecke fahren, Stand und Ware irgendwie von Ort zu Ort bekommen. Leicht umzusetzen ist es somit nicht, ganz im Gegenteil.
Dazu kommt noch die ganze Bürokratie eines Gewerbes, Steuern, Versicherungen etc.. Das Wetter ist eine ständige Gefahr. Man braucht dafür Hingabe.
Für Autor*innen eignen sich da eher die normalen Stände. Meistens braucht man dazu nicht mehr als die eigenen Bücher, gute Standplanung und Werbung, sowie natürlich den Zuschlag für einen Stand auf den Cons.
Verkauft man für andere, wird es schwieriger. Die Preisspanne ist gering. Die (eigene) Buchhandlung ist ein alter Wunsch, ein nie vergessener Traum, den ich mir erfülle – dies kann ich jedoch nur durch die Lektorate, viel Unterstützung und viel Vertrauen der Autor*innen.
Und dieses Vertrauen möchte ich auf keinen Fall brechen.
Wer mehr über Caroline und ihr Lektorat Wechselseitig erfahren möchte – bitte hier lang.
Fotos: © Carolin Gmyrek