Autor sucht Lektorin … Lektorin findet Autor. Oder eine Autorin … Zu diesem Thema gibt es jede Menge Tipps – und auch echte Erfolgsgeschichten. Zum Beispiel dieser Lektor, der immer so gern Krimis von XY las. Und eines Tages hatte er genug davon. Genug von den viel zu vielen Schreib- und Logikfehlern, die ihm da ständig begegneten. Da sprach er den Autor einfach an … Ob der vielleicht einen Lektor brauche. Er brauchte.
Und von da an bildeten Lektor und Autor von da an ein echtes Dream-Team. Für mindestens zwanzig weitere Krimis.
Dies ist eine wahre Geschichte, erzählt auf einem öffentlichen Podium. Da standen die beiden und versicherten glaubhaft: „Ohne unsere gegenseitige Sympathie wären wir nie so weit gekommen!“
Sympathie. Genau darum geht es mir auch. Unter anderem. Meine wichtigste Forderung: Autor:in und Lektor:in müssen zusammenpassen. Da helfen auch ein paar durchaus objektive Fragen, die wir uns stellen können. Und sollten.
Wie so eine Zusammenarbeit gelingt, worauf beide Seiten achten sollten, was vielleicht ganz ungeahnt wichtig werden kann, das habe ich in meinen 11 Tipps für die Auswahl der Lektorin, des passenden Lektors zusammengestellt,
Vorweg
Ich gehe mal davon aus, dass schon eine gewisse Vorauswahl stattgefunden hat: Die Webseite des Lektors, der Lektorin sieht professionell aus, er oder sie kann vielleicht schon mit Arbeitsbeispielen eine Spezialisierung vorweisen. Idealerweise ist sie oder er Mitglied im Verband der freien Lektorinnen und Lektoren – dort lassen sich übrigens auch prima Adressen und Namen finden. Ebenso im texttreff, da sind nur Frauen vertreten – auch das könnte eine wichtige Überlegung sein.
Ein weiteres Kriterium ist für die meisten Autor:innen natürlich der Preis. Aber genau der ist in Sachen Lektorat nur schwer vergleichbar. Darüber habe ich einen weiteren Beitrag geschrieben: Preisvergleich für Lektorat: Pauschale, Stundenbasis oder Normseite?
Wenn sich Preise schwer vergleichen lassen, werden andere Auswahlkriterien natürlich umso wichtiger. Da helfen meine Tipps.
Autor sucht Lektorin … Lektor findet Autorin
Tipp 1: Buchgenres sind ein Auswahlkriterium
Erfahrungen zählen! Das gilt nicht nur für die Menschen, die ein Buch schreiben (wollen). Sondern auch für Lektor:innen. Im Sachbuchbereich könnte beispielsweise journalistische Erfahrung der Lektorin oder des Lektors gut sein. Oder jemand mit besonders guten Recherchefähigkeiten – denn darum geht es im Sachbuchbereich unter anderem oft auch. Die Kenntnis bestimmter Themen ist in diesem Fall eher ein Kann, aber kein Muss. Ganz anders im Fachbuchbereich: Da sind Fachkenntnisse ein Muss. Bei allen Genres im fiktionalen Bereich: Hören Sie bei der Auswahl Ihres Lektors, Ihrer Lektorin eher auf Ihr Bauchgefühl! Dazu gleich noch mehr.
Grundsätzlich gilt hier: Es ist hilfreich, wenn der Mensch, der das Lektorat übernimmt, schon einige Erfahrungen im entsprechenden Buchgenre hat. Denn natürlich stehen etwa im Jugendbuchbereich ganz andere Dinge im Fokus als beim Schreiben eines medizinischen Ratgebers.
Tipp 2: Auch das Geschlecht kann eine Rolle spielen
Männer und Frauen – soll es ein Lektor oder eine Lektorin sein? Hier ist zu sagen: Blickwinkel können sich ergänzen. Oder verstärken, manchmal auch widersprechen. Was ist für Ihren Text und dessen Anliegen wichtiger? Ist es wichtig, dass die weibliche Perspektive explizit beleuchtet wird? Oder wäre es ganz gut, wenn diese Perspektive um – möglicherweise anders gelagerte, männliche – Blicke ergänzt würde? Behalten Sie das bitte mal im Hinterkopf, dazu gleich noch mehr.
Tipp 3: Auch ähnliche Lebensumstände können helfen
Auch ein ähnliches Alter kann hilfreich sein bei der Auswahl eines Lektors, einer Lektorin. Das mag auf den ersten Blick banal klingen, doch dieser Punkt sollte nicht unterschätzt werden. Denn oft geht es dabei auch um den Zugang zur verwendeten Sprache. Gendern oder nicht? Inklusion, besondere Feinfühligkeit? Da haben Menschen unterschiedlichen Alters unterschiedliche Präferenzen, auch sprachlicher Art. Die wiederum beruhen immer auf unseren Erfahrungen, Erlebnissen und manchmal auch auf (historischem) Faktenwissen.
Doch nicht nur das Alter, auch die Lebensumstände können eine Rolle spielen. Jetzt müssen Sie die Lektorin, den Lektor natürlich nicht nach sehr privaten Dingen ausfragen … Aber manchmal kann es schon wichtig sein, ob jemand Kinder hat, alleinerziehend ist oder noch nie auf dem Land gelebt hat. Offenkundig wichtig ist das bei allen Büchern, die Tipps enthalten – können Lektor:innen mit anderen Lebensumständen deren Bedeutung realistisch einschätzen? Richtig knifflig kann dieser Aspekt werden, wenn es um Fragen geht wie: Was ist gute Literatur? Was ist Literatur überhaupt? Was kann als zeitgemäß gelten, was nicht (mehr)? Welcher Sprachstil soll vorherrschen?
Tipp 4: die Arbeitsweise
Ist Ihre eigene Arbeitsweise eher strukturiert oder intuitiv? Nur geordnet oder auch mal kreativ-unsortiert? Und wünschen Sie sich eine Lektorin, die ähnlich „tickt“? Oder eher einen Lektor, der sozusagen vom anderen Ende her auf Ihr Manuskript blickt?
Als Faustformel kann hierbei die Frage gelten: Was macht Autor:innen nervös, was Lektor:innen? Und sind diese Unterschiede eher hilfreich oder störend?
Tipp 5: Start der Zusammenarbeit
An welchem Punkt soll die Zusammenarbeit beginnen? Ist Ihr Text noch im Prozess der Entstehung? Oder sagt die Autorin: „Der Text ist rundum fertig, er soll nur ’schön gemacht‘ werden“? Will der Autor ganz schnell Ergebnisse sehen? Und passt das in die Zeitpläne der Lektor:innen?
Also: Den Abgleich der Zeitplanung bitte nicht vergessen! Passt sie für beide?
Tipp 6: Welche Arbeitsanteile hat das Lektorat?
Aus meiner Sicht sind die zwei Eckpunkte von Lektorat immer auch Schreibcoaching und Korrektorat. Das Lektorat liegt fast immer irgendwo zwischen diesen beiden Polen. Ist der Schreibprozess noch nicht ganz abgeschlossen, hat das Lektorat auch Coaching-Anteile. Und dafür muss Zeit eingerechnet werden.
Ist der Text aus Sicht der Autorin rundum fertig, empfehlen sich zwei Durchgänge: Der Lektor prüft inhaltliche Bezüge aller Art, der zweite Durchgang gilt allein Sprache, Grammatik, Zeichensetzung etc. Auch das braucht seine Zeit. Den Preis bestimmt diese Frage natürlich auch mit.
Tipp 7: Kenntnis der Zielgruppe(n)
Wirklich gut ist es, wenn Lektor:innen Zugang zur Zielgruppe und deren Wünsche an das Buch, an das Thema haben. Dann kann beispielsweise problemlos mit Personas gearbeitet werden, mit eigenem Erfahrungswissen oder mit Statistiken – was gerade am besten passt. Wichtig ist nur, dass sich auch der Lektor oder die Lektorin ein klares Bild von der Zielgruppe und deren Wünsche an das Buch machen kann.
Tipp 8: der „Arbeitston“
Grob gesagt, gibt es da zwei Möglichkeiten. Manche Autor:innen wünschen sich sehr dezidiert: „Red‘ Tacheles mit mir! Formuliere zu Ende, schreib ruhig alles gleich um!“ Andere sagen eher: „Mach mir bitte nur Vorschläge, stoss‘ einen Prozess an – und den beende ich dann ganz allein“. Letzteres kann auch in Schreibcoaching münden. Dann arbeiten beide eher am „Mindset“ des Autors, an den Gedanken und Erfahrungen der Autorin und ihrem Zugang zum Text, zur Geschichte, also AM, nicht IM Text.
Wichtig ist nur, dass sich dabei niemand vom anderen brüskiert fühlt … Das geschieht in aller Regel dann, wenn Lektor:innen sich nicht vorher in Ruhe nach den Wünschen von Autor:innen erkundigt haben. Denn da gibt es kein richtig oder falsch – beide Wege können zu einem guten Buch führen. Manche Lektor:innen versuchen im Vorfeld, eine gewisse „Korrekturtiefe“ auszuloten – auch das kann ein Weg sein, das richtige Maß und den passenden „Umgangston“ für die Textbearbeitung zu finden.
Tipp 9: Das Vorgespräch
Ich halte es für absolut unerlässlich, ein Vorgespräch miteinander zu führen. Meiner Erfahrung nach genügen schon 20 Minuten am Telefon, um ein Gespür dafür zu bekommen, ob Lektor:in und Autor:in zusammenpassen.
Wer dabei allerdings unsicher ist, sollte in jedem Fall auf einem persönlichen Treffen bestehen. Denn die zwei Menschen, die sich da gegenseitig auswählen, werden unter Umständen recht intensiv, manchmal sogar recht lang zusammenarbeiten – da sollte die vielbeschworene „Chemie“ auf jeden Fall stimmen.
Deshalb sollte man auch nicht unbedingt sofort entscheiden, sondern sich ruhig noch einen oder zwei Tage Zeit lassen.
Tipp 10: gemeinsame Ziele finden
Wenigstens ein gemeinsames Ziel wäre gut! Das kann vieles sein: die inhaltliche Botschaft, von der beide überzeugt sind, der Wunsch nach größtmöglicher Stimmigkeit – sprachlich, in der Recherche, im Handlungsaufbau, der Figurenzeichnung. Je mehr gemeinsame Ziele Autorin und Lektor mit Blick auf den Text finden, desto besser gestaltet sich die Zusammenarbeit in aller Regel.
Aber auch der ergänzende Blick kann ein gemeinsames Ziel sein – etwa die Sicht von Männern und/oder Frauen, siehe oben. Ist nur ein Beispiel. Andere Möglichkeiten: im Sachbuchbereich etwa der Blick von Betroffenen und Nicht-Betroffenen, von Produzenten/Herstellern und Anwenderinnen, Praktikerinnen und Konsumenten. Im fiktiven Bereich ist dieser Aspekt nicht ganz so wichtig, denn da hat ohnehin jeder Mensch beim Lesen eigene, meist völlig andere Gedanken/Blickwinkel. Doch auch da können Ergänzungen sinnvoll sein – etwa: Soll das „Frauenbuch“ auch für Männer interessant sein? Wäre es nicht schön, wenn auch Eltern Spaß beim Lesen des Kinderbuchs hätten?
Tipp 11: Respekt
Es geht um sehr viel Arbeit! Da halte ich es nicht für überzogen, sich auch mal Gedanken um den gegenseitigen Respekt zu machen. Respekt kann aber auch dem Buch selbst, dem Text, der Arbeit entgegengebracht werden. Oder: Respekt für die Stimme/die Haltung von Autor:innen, ihre Recherche, ihr ständiges Umschreiben, ihr Ringen um den richtigen Text. Für die langjährige Erfahrung der Lektorin, des Lektors. Für die gemeinsame Leistung von Autor:in UND Lektor:in – und im Idealfall ist genau das am Ende das fertige Buch.
Aus alldem kann wunderbar genau jene Sympathie erwachsen, die Autor:innen und Lektor:innen zu einem echten Dreamteam machen können … Viel Erfolg!
Und übrigens: Eigensinn schadet bei alldem auch nicht. Ja, eine Lektorin kann und darf auch eigensinnig sein – darüber habe ich hier mal was geschrieben.
In eigener Sache
Wer mich, meine Gedanken und auch meine Arbeitsweise im Vorfeld schon besser kennenlernen möchte, dem empfehle ich die Trilogie des Eigensinns. Sie besteht bislang aus zwei Büchern – die sich ohne Probleme auch wunderbar getrennt voneinander lesen lassen. Macht durchaus Sinn, denn sie bilden zwar eine „Familie“, haben aber unterschiedliche Schwerpunkte. In „Mein Kompass ist der Eigensinn“ geht es darum, wie wir Eigensinn erkennen, ihn für uns entwickeln können. Aber auch darum, wo er seine Grundlagen hat, welche Vorbilder ich gefunden habe – und wie er uns helfen kann. Als Kompass zum Beispiel. Oder beim Schreiben von (eigenen) Büchern.
In „Wer schreibt, darf eigensinnig sein“ steht eigentlich schon alles Wichtige im Titel: Es geht um die praktische Realisierung des Schreibens mit Eigensinn, um Kreativität, aber auch um Selfpublishing. Da gibt es jede Menge Praxistipps, Übungen und Beispiele. Aber auch die Spiellust – meiner Ansicht nach ein wichtiges Schreib-Instrument – kommt nicht zu kurz. Zum Beispiel mit dem Selbsttest „Welcher Schreibtyp bin ich eigentlich?“ Der zieht sich – augenzwinkernd bis ernst – durch das ganze Buch.
Und in Band drei erzählen 16 Menschen von ihrem ganz individuellen Weg des Eigensinns … Gelebter Eigensinn.
Alle Bücher auf einen Blick – und auch zum Bestellen – im Shop der Autorenwelt hier. Aber natürlich auch überall sonst, wo es Bücher gibt.